Transkript: Podcast-Folge Salon Frou Frou mit Julia und Ellie von Discheck
Transkript: Podcast-Folge Salon Frou Frou mit Julia und Ellie von Discheck
Medieninhalte diskriminierungssensibel und intersektional gestalten

Medieninhalte diskriminierungssensibel und intersektional gestalten

Die aktuelle Folge des u-institut Podcast Salon Frou Frou mit Julia und Ellie von Discheck

Transkript

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Vorspann Sandra

Hallo und herzlich willkommen im Salon Frou Frou, dem Podcast des u-instituts.

Mein Name ist Sandra Halter und ich freue mich sehr, dass ihr beim ersten Podcast im Jahr 2022 auch wieder mit dabei seid und ich begrüße euch wieder direkt aus dem ehemaligen Wein-Cabaret Salon Frou Frou, in dessen Räumen sich heute das u-institut befindet. Daher kommt auch der Name unseres Podcast: Der Salon Frou Frou war in den sogenannten „Roaring Twenties“ ein berühmtberüchtigter Ort der Begegnung und Austauschs. Das Cabaret lassen wir heute weg. Der Austausch findet trotzdem statt, und zwar mit meinen ganz wundervollen Gäst*innen Ellie und Julia. Wir sind heute nämlich zu dritt. Hallo!

Sandra

Ich stelle euch beide kurz vor und dann legen wir los: Ellie und Julia sind Beraterinnen bei Discheck, ein Beratungs-Kollektiv, das Organisationen, Unternehmen und interessierte Einzelpersonen dabei unterstützt, Medieninhalte, diskriminierungssensibel und intersektonal zu gestalten. Discheck bieten dafür eine Vielzahl an unterschiedlichen Leistungen an, wie zum Beispiel auch Workshops. Und sie machen in ihrer Arbeit auf Problematiken und Denkfehler in Projekten aufmerksam und eröffnen neue Perspektiven und bieten, wenn es gewünscht ist, auch Verbesserungsvorschläge an. Sie zeigen Alternativen auf und geben neue Ideen.

Wir vom u-institut haben auch eine ganz besondere Verbindung zu Discheck, denn wir arbeiten seit letztem Jahr mit Discheck zusammen. Gestartet ist unsere Zusammenarbeit mit unserer Kooperationspartner*in, den Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland. Seit Herbst 2021 arbeitet auch das Kompetenzzentrum Kultur und Kreativwirtschaft des Bundes mit Discheck zusammen. Darüber freuen wir uns wirklich sehr.

Unser Ziel in der Arbeit mit Discheck ist, dass wir uns mit ihrer Unterstützung, mit ihrer Beratung und mit ihrer Expertise als Unternehmen, unsere Projekte, aber auch unsere Zusammenarbeit mit Partner*innen besser reflektieren, neu strukturieren und inklusiver gestalten wollen. Das große Ziel ist, strukturelle Diskriminierung zu bekämpfen.

So, jetzt habe ich lang genug gesprochen (Ellie und Julia lachen). Jetzt übergebe ich mal das Wort an Ellie und Julia und sag erst noch mal „Hallo“ und ich freue mich sehr, dass ihr da seid.

 

Ellie

Hi. Ich danke für die Einladung.

 

Julia

Ich freue mich auch sehr dabei zu sein und Vieles zu besprechen, was Discheck angeht.

 

Sandra

Wunderbar und wir fangen gleich mal an mit unserer berühmten und auch berüchtigten Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist: Wenn euer Beratungs- Kollektiv Discheck eine Bühnenshow wäre, wie würde diese Show heißen und welche Rolle würdet ihr darin spielen?

 

Ellie

Ja, wir haben ein bisschen länger drüber nachgedacht. Ich habe jetzt überlegt: „Let`s Discheck“ und wir wären dann so ein total judgy Publikum, das sich das Stück anguckt.  Oder eben die Jury, die mit solchen Kärtchen dasitzen. Da würden dann wahrscheinlich keine Punkte draufstehen, sondern eher so was wie „gendersensible Sprache“ oder (lacht) „schwarzer Rassismus“.

 

Julia

Was wir auch machen, dass wir Personen einladen würden, die dann mit uns auf der Bühne über verschiedene Themen sprechen. Zum Beispiel: „Wie können wir diskriminierungssensible Medien gestalten?“ und vor allem auch marginalisierte Menschen dazu einladen, die Bühne zu betreten und darüber zu sprechen.
Also wenn es nicht nur um Theatershows geht, dann passt das wahrscheinlich besser.

 

Sandra

Dann sind es schon zwei Möglichkeiten. Ich glaube, da haben wir einen ganz guten Einblick bekommen.
Ich wollte euch mal fragen seit wann gibt es denn Discheck? Und wie kam es überhaupt zu der Gründung? Und warum habt ihr euch dafür entschieden, dass Discheck ein Kollektiv sein soll?

 

Julia

Ja, dann würde ich einfach mal anfangen.
Die Idee kam mir damals über meinen anderen Account, ein netzaktivistischer Account. Das war 2019/2020, als mehrere sehr große und bekannte Unternehmen diskriminierende Werbung veröffentlicht haben. Vor allem rassistische Werbung und es dann öffentliche Kritik gab. Viele, vor allem marginalisierte Personen, die versucht haben zu erklären und die öffentlichen Druck gemacht haben, Petition gestartet haben, Arbeit investiert haben, um das zu ändern. Und schlussendlich hat es das nicht verändert, sondern es ging immer weiter und es gab immer mehr Unternehmen, die auf diesen Zug aufgesprungen sind, weil es anscheinend dann auch besser war, negative Presse als gar keine Presse zu bekommen, so nach dem Motto.

Dann habe ich mir gedacht: Das kann doch irgendwie nicht sein, dass wir ständig Arbeit investieren müssen, um diese Unternehmen outzucallen, aber sich schlussendlich gar nichts ändert. Und es dann immer halbherzige Entschuldigungen gibt, die schlussendlich nie ernst gemeint sind. Und ich habe dann einen öffentlichen Aufruf gestartet, da wusste ich noch gar nicht, dass es Sensitivity Reading als solches gibt, sondern ich dachte, dass sich vielleicht interessierte Menschen zusammenschließen können, die gerne so etwas verhindern möchten, dass sowas überhaupt veröffentlicht wird, dass dann auch keine emotionale Arbeit von negativ Betroffenen mehr erwartet wird, dass es keine halbherzigen Entschuldigungen mehr gibt und keine Retraumatisierung und Verletzungen.

Und es haben sich einige Personen gemeldet. Wir haben uns zusammengeschlossen, ein Jahr gar nichts gemacht, weil es dann mit Corona losging und einigem Hin und Her und wir eigentlich gar nicht wirklich die Kraft hatten. Und sind dann aber im November 2020 offiziell an den Start gegangen mit Discheck.

Und seitdem sind wir auch 19 Personen im Team, alle mit unterschiedlichen Expertisen und Perspektiven. Das war uns auch sehr wichtig, dass marginalisierte Menschen für sich selbst sprechen können und selbst mitentscheiden und gestalten können, wie die Medien aussehen und wie über sie berichtet wird.
Und genau deswegen sind wir auch so viele und das freut mich sehr.

 

Sandra

Da hab´ ich gleich eine Frage dazu, weil du das gerade schon so schon gesagt hast, dass euch wichtig ist, dass Expert*innen selbst bei euch auch von einem Thema betroffen sind oder zumindest persönliche Erfahrungen mit einem Thema gemacht haben. Warum denkt ihr, dass das so wichtig ist? Oder ist das ein Kriterium, um als Berater*in bei euch zu arbeiten?

 

Ellie

Also ich würde sagen ja. Wenn mensch irgendwie selbst betroffen ist, von dem Thema, zu dem man ganz einfach berät, dann werden Texte anders gelesen, Manuskripte werden anders übersetzt. Die Perspektive ist einfach eine andere ,als wenn ich einfach darüber gelesen habe. Also das heißt, ich glaube, ich habe auch nur Expertisen, von denen ich selber auch irgendwie betroffen bin.

Aber nicht alle Diskriminierungsformen, von denen ich betroffen bin, sind zum Beispiel meine Expertisen. Ich bin auch von Diskriminierungsformen betroffen, über die ich mich jetzt nicht krass informiert habe. Die anderen Discheck Members, die zwar auch diese Diskriminierungserfahrungen machen, aber für die diese Diskriminierungserfahrungen primärer sind als für mich.

Genau, wenn ich so den Überblick gut habe, dann würde ich sagen, dass eigentlich alle auf jeden Fall zu ihren primären Diskriminierungserfahrungen beraten.

 

Julia

Und wir sagen ja auch ganz bewusst, dass wir auch Perspektiven mit einbeziehen, weil oftmals ist Expertise auch ein sehr klassizistischer Begriff, was auch dahinter steckt, dass mensch studiert haben muss, dass sich mensch damit Jahrzehnte auseinandergesetzt haben muss, dass mensch einen akademischen Hintergrund haben muss, um Exper*tinnen für etwas zu sein. Und das schließt auch ganz viele marginalisierte Menschen aus und schafft halt genau dieses Machtgefälle und ist der Grund, wieso das ja in erster Linie so ist, dass diese Unternehmen Sachen gepostet haben und Werbung gemacht haben, die diskriminierend war, weil sie dachten, sie könnten es, ohne wirklich marginalisierte Menschen mit einzubeziehen. Und deswegen sagen wir auch bei unseren Bewerber*innen: Uns ist nicht wichtig, wie viel Abschlüsse du hast und ob du deinen Masters Degree hast oder Doktor*innentitel.

Sondern uns ist es wichtig, dass du dich natürlich auch selbst darüber informiert hast. Das ist natürlich wichtig und, dass du auch selbst negativ davon betroffen bist.

Ich kann ja auch nicht einer*m Katzenbesitzer*in in sagen wie es ist, eine Katze zu haben, so nach dem Motto. Das funktioniert einfach nicht. Deswegen ist es unglaublich wichtig, dass Menschen, die das auch wirklich leben und sich damit auseinandersetzen müssen, auch selbst darüber entscheiden dürfen, wie sie repräsentiert werden.

 

Sandra

Könnt ihr denn ein paar Beispiele nennen? Ihr habt jetzt gesagt, dass ihr zu ganz vielen unterschiedlichen Themen beratet, was denn da alles so zum Beispiel dabei ist für euch?

 

Julia

Ich wollte noch sagen, dass wir auch wissen, dass wir nicht für alle Menschen sprechen können. Selbst bei den Expertisen und Perspektiven, die wir haben. Weswegen es für uns auch so wichtig war, so viele unterschiedliche Perspektiven mit ins Team zu holen. Aber vor allem geht es auch einfach darum, dass wie gesagt negativ Betroffene, marginalisierte Menschen für sich selbst sprechen können und was sie möchten, wie sie dargestellt werden. Aber wir können nicht sagen, das entspricht jetzt gänzlich allen marginalisierten Menschen. Und das ist so richtig. Es gibt auch marginalisierte Menschen, die das ganz anders sehen und deswegen sagen wie auch immer, wir sprechen aus unserer Perspektive, und das, was wir gelernt haben und was wir denken und wissen. Und nicht, dass es jetzt generell ein übergreifender Fakt so ist.

 

Ellie

Also ist es so, dass mehrere Leute tatsächlich auch manchmal zu den gleichen Themen beraten. Das finde ich auch immer sehr praktisch, also auch wegen dem, was Julia gerade gesagt hat. Also einfach auch, um ein paar mehr Perspektiven reinzuholen. Also bei mir ist es auf jeden Fall so, dass ich zu anti-schwarzem Rassismus, Colorism, Featurism und auch eben transracial Adoptionen in weiße Familien, Interracial Familienkonstellationen. Also, wo einfach Familienmitglieder unterschiedlicher Races dabei sind. Ich glaube, alle von uns haben ein gewisses Verständnis von Intersektionalität, weil es eigentlich nicht so ist, dass wir einen Text bekommen und dann dreht der sich nur um anti-schwarzen Rassismus. Also ich muss auch wissen, okay: gendergerechte Sprache oder zum Beispiel auch Fett-Feindlichkeit oder so. Und wenn ich mir nicht sicher bin, dann frage ich eben andere Leute aus dem Kollektiv, die das als Expertisen haben. Die typischen Klassiker sind ja Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Ableismus, also Behindertenfeindlichkeit, Saneismus und ich glaube, wir haben mehrere Leute, die unterschiedliche Beratungen zu verschiedenen Mental Illnesses zum Beispiel machen, das ist dann auch noch mal mit drin. Also eigentlich ist es eine ziemlich große Palette zu der beraten wird. Also auch Kolonialismus, Postkolonialismus alles Mögliche. Ich glaube was jetzt neu mit drin ist, ist ja Anti-Slawismus und auch hybride Identitäten. Unsere Workshops müssen nicht nur unbedingt Workshop zu diskriminierungssensiblen Sachen sein, sondern da geht es dann halt auch viel um Teambuilding oder so. Wenn wir Coachings machen, dann geht es manchmal auch darum: Welche Probleme haben einzelne Mitglieder*innen in einer bestimmten Firma, zum Beispiel mit der Führung der Firma, und wer fühlt sich da gesehen, wer nicht? Dann sind wir manchmal auch einfach ein bisschen das Sprachrohr, damit sich die Person alleine nicht mit der Chef*in XY auseinandersetzen muss. Das ist schon eine große Palette an Dingen, die wir da machen.

 

Julia

Also meine Expertisen sind auch antiindigener Rassismus, insbesondere hier in Deutschland, wie sich das manifestiert und auswirkt, aber auch vor allem Fett-Feindlichkeit. Ich bin jetzt auch dabei, meine Expertise im Bereich Ableismus und Saneismus mehr aufzubauen, weil ich auch davon negativ betroffen bin und das Themen sind, die mir überwiegend wichtiger werden. Das hat vor allem auch damit zu tun, dass ich durch Discheck, durch mein Team, auch mehr Selbstbewusstsein gefunden habe, mich mit Themen mehr zu beschäftigen, die mich selbst betreffen, die ich immer ein bisschen versucht habe wegzuschieben. Ich glaube, was bei uns auch immer sehr wichtig ist, oder was so wir im Team haben, ist, dass wir uns nicht nur gegenseitig unterstützen, sondern wir möchten auch demnächst interne Workshops einführen, dass wir uns selbst ein besserer Wissen zu verschiedenen Intersektionen und zu verschiedenen Themen aufbauen können. Wir haben auch ein internes Glossar, wo wir Begrifflichkeiten erklären, auch sagen: Diese Begrifflichkeiten sind nur Selbstbezeichnungen, diese Begrifflichkeiten sind in Ordnung, diese sind gar nicht in Ordnung. Und auch einen internen Guide, wo wir verschiedene Punkte zu unseren verschiedenen Expertisen mit unseren Teammitgliedern teilen. Und wir haben natürlich auch eine externe Berater*innenliste für Personen, die gerne mit Discheck zusammenarbeiten möchten, aber einfach nicht die Zeit und die Kapazitäten haben, in einem festen Team zu sein und die wir bei Fachberatung oder zu bestimmten Fragen kontaktieren können.

 

Sandra

Ich habe da gleich zwei Fragen dazu, aber ich fang mal davor an. Ich kann mir vorstellen, wenn man selbst betroffen ist, dass die Arbeit durchaus auch anstrengend sein kann. Gibt es denn so Rahmenbedingungen, die euch die Arbeit erleichtern oder erschweren? Also jetzt gerade mit Unternehmen, Organisationen. Und auch die Frage spielt da so ein bisschen mit rein, wie mensch damit umgeht, wenn eine einzelne Person auch aus einem Unternehmen sich an euch wendet, wenn ihr da auf Widerstände trefft?

Und dann kann ich ja gleich die Frage noch mit einbauen, nur ob es dann auch manchmal Zusammenarbeiten gibt, die ihr abbrechen müsst oder auch ablehnt?

 

Ellie

Ich habe gleich einen Gedanken dazu. Also, was es sehr erleichtert ist, wenn Auftraggeber*innen sehr konkret sind mit ihren Erwartungen und was eigentlich passieren soll. Es erschwert schon die Arbeit, wenn jetzt einfach so ein Auftrag kommt wie: Ja, wir möchten uns gern inklusiver aufstellen. Okay, was heißt das jetzt genau? Heißt das, ihr wollt jetzt die ganze Struktur in eurem Unternehmen ändern? Heißt das, ihr möchtet einfach Beratung haben, wen ihr als nächstes einstellt? Oder was auch immer. Das kann alles mögliche bedeuten und dann wird auch die Zusammenarbeit meistens sehr chaotisch, weil weder die Kund*innen noch wir richtig eine Ahnung davon haben, was eigentlich gewollt wird. Und wir können halt aber nur gut arbeiten, wenn wir wissen, was gewollt wird. Ich musste bisher noch nicht mit jemandem die Arbeit abbrechen, aber es ist halt trotzdem so, dass mir das auf jeden Fall aufgefallen ist, dass, wenn einfach die Kommunikation nicht so gut läuft, dann macht das den Job halt um einiges schwerer. In vielen Bereichen, also mit der Abrechnung auch und auch einfach so mit den Inhalten. Dann kommt nämlich immer irgendwas hinterher, dann muss man noch mal neu berechnen oder so was. Oder es fällt irgendwie was weg. Und dann irgendwie ist das zeitlich gar nicht so wie besprochen. Also ich persönlich, wenn ein großes Problem ist oder so, ich gehe dann meistens zu Julia.

 

Sandra

Ich kann mir auch vorstellen, dass wenn eine Firma sagt: Wir wollen uns intersektionaler aufstellen, dass ihr dann auch viel Aufklärungsarbeit machen müsst, dass die Menschen sich gar keine Gedanken gemacht haben, was das überhaupt bedeutet. Z. B. was es für verschiedene Diskriminierungsfelder gibt, sondern dass das so ein bisschen auch reines Washing ist. (Julia bejaht im Hintergrund) Man muss das jetzt machen, weil das machen alle so und das ist grad in den Medien. Was macht ihr, wenn ihr das dann merkt? Das stelle ich mir auch anstrengend vor.

 

Julia

Ich kann da vielleicht aus Perspektive Orga-Team sprechen, weil ich und mein Orga-Team die Kommunikation mit Klient*innen übernehmen. Also: Vorgespräche, die Abrechnung, alles was so Organisatorisches ist, was sie möchten. Da bekommen wir natürlich auch manchmal Anfragen, wie Ellie das gerade so schön gesagt hat: Stellt uns bitte mal intersektionaler auf. Und dann ist es natürlich schwierig, dort wirklich zu kommunizieren. Aber was ich auch sagen muss 95 % aller Klient*innen, die wir bisher hatten, waren immer sehr motiviert. Mensch hat das auch wirklich gemerkt, dass sie lernen möchten und wirklich investieren möchten, auch ihre Ressourcen, finanziell. Aber natürlich gibt es auch immer mal wieder Organisationen, vor allem auch große Unternehmen, die das dann möchten, um ihr Image aufzupolieren, weil sie vor allem Angst haben vor, es heißt umgangssprachlich „Shitstorms“. Aber ich nenne es berechtigte Kritik, Diskriminierungs-Kritik ist nicht wirklich ein Shitstorm. Es ist ja keine Scheiße sozusagen, sondern es ist berechtigte Kritik.

Wir hatten auch schon Klient*innen, die zu uns gekommen sind, weil sie Kritik erhalten haben und sozusagen dann Schadensbegrenzung betreiben möchten. Und da merkt mensch schon, dass dort vielleicht nicht die größte Motivation ist, sondern eher der Wunsch, das Chaos einzudämmen. Aber ansonsten haben wir eigentlich überwiegend echt echt tolle Klient*innen, die auch immer wieder zu uns kommen, uns richtig crediten. Das ist uns natürlich auch wichtig: Uns ist die Privatsphäre der Klient*innen sehr wichtig. Deswegen würden wir niemals, auch intern, nichts ohne Einverständnis besprechen oder das an Dritte weitergeben. Aber das gehört natürlich auch dazu, wenn wir öffentlich gecreditet werden, öffentlich unsere Arbeit anerkannt wird, dann heißt es natürlich auch für uns, dass sie verstehen, dass es nicht nur darum geht, die Inhalte zu verbessern, sondern auch öffentlich zu machen, transparent zu machen, wer dafür verantwortlich ist.

Und genau deswegen arbeiten wir  – also ich jedenfalls – auch gern mit dem u-institut zusammen (Ellie lacht und bekräftig Julias Aussage).

 

Sandra

(lacht) Ich nehm‘ das mal stellvertretend entgegen.

Julia

Genau, Schleichwerbung,

Sandra

Ich hör da so ein bisschen raus, dass eure Kund*innen aus ganz verschiedenen Branchen und Ecken kommen. Also, dass man nicht sagen kann, es sind jetzt nur Start- ups oder so.

 

Julia

Wir hatten auch schon Student*innen tatsächlich, die ihre Masterarbeit bei uns überprüfen lassen wollten. Wir hatten auch eine Schülerin bei uns, 9. Oder 10. Klasse. Wir haben Lehrer*innen, wir haben auch Eltern, die zu uns kommen und sagen: Könnt ihr bitte mal das Kinderbuch überprüfen oder mir sagen, was, wie ihr das einschätzt? Wir haben Start-ups, große Unternehmen, internationale Unternehmen, Universitäten, Schulen und Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen.

 

Ellie

Ich wollte auch noch mal kurz sagen, dass ich glaube, dass vor allem bei Erst-Kund*innen es halt auch ziemlich schwer ist einzuschätzen, wie viel Arbeit tatsächlich beansprucht wird für das gewisse Vorhaben. Viele, glaube ich, verfassen dann so quasi so ein Endziel, also das ist dann irgendwie schon Schritt Z: Z. B. die inklusivere Aufstellung. Das passiert vor allem deshalb, weil die halt noch nicht genau wissen, was die wirklich wichtigen Schritte sind. Und da geht es dann halt eher irgendwie darum, erst mal zu beraten, was zuerst gemacht werden müsste und das dann quasi in den Auftrag umzuwandeln. Also bisher würde ich auch sagen, waren die meisten wirklich cool. Ich habe auch noch nicht so viel gehört von so krass unverschämten Aufträgen oder sowas. Manchmal glaube ich, ist es einfach so ein bisschen eine Fehlkalkulation, wieviel Arbeit tatsächlich hinter bestimmten Anforderungen steckt.

 

Julia

Wir sugarcoaten auch nichts. Das sagen wir auch ganz offen und ehrlich. Unsere Kritik ist natürlich freundlich, aber wir packen nichts in Watte, sondern benennen Problematiken klar. Und tatsächlich finden viele Auftraggeber*innen das gut und schätzen genau das an uns, dass wir so ehrlich sind, anstatt um den heißen Brei herumzureden.

 

Sandra

Habt ihr das Gefühl, dass es gerade auch eine größere Offenheit zu dem Thema gibt? Also gerade bei so was diskriminierungssensible Sprache oder überhaupt das Thema Antidiskriminierung angeht.

 

Ellie

Ich würde sagen, es ist auf jeden Fall ein stärkeres Bewusstsein für die Sensibilität da. Ich glaube, das liegt daran, dass sehr viele Unternehmen und auch viele Privatpersonen, die auf Instagram oder so unterwegs sind, halt sehr viel Backlash bekommen haben von marginalisierten Communities in Deutschland und deshalb eben diese Erfahrungen gemacht haben. Und jetzt so ein Bewusstsein dafür kommt, dass Leute heute nicht mehr einfach alles sagen können, ohne Rücksicht zu nehmen und ohne dafür irgendwie zur Rechenschaft gezogen zu werden. Klingt jetzt irgendwie so ein bisschen wie der wütende Mob. Aber es geht darum, dass eben marginalisierte Communities dann auch darauf aufmerksam machen. Ich glaube, dafür ist so ein bisschen mehr Bewusstsein entstanden.

 

Sandra

Wahrscheinlich und gerade was das Thema Sprache angeht? Weil bei Sprache wurde ja immer ganz oft gesagt: Ja, das sagt mensch halt so, das hat mensch schon immer so gesagt, es bedeutet ja irgendwie nichts. Aber Sprache spielte eine sehr große Rolle.

 

Julia

Genau. Ich glaube das hat viel damit zu tun, dass unsere Gesellschaft dem Thema Empathie mehr Wichtigkeit zuschreibt. Das hat bei marginalisierten Menschen immer gefehlt und fehlt auch immer noch. Es gibt da diesen sogenannten „Empathie Gap“, also dass marginalisierten Menschen viel weniger Empathie entgegengebracht wird oder Verständnis. Aber ich denke das ist einer der Gründe, dass es jetzt mehr Wichtigkeit erhält als noch vor einigen Jahren. Aber zum anderen auch, weil Unternehmen auch gemerkt haben, dass es auch profitabel ist, teilweise mehr darin zu investieren, weil marginalisierte Menschen auch einfach eine Zielgruppe sind und so lange nicht berücksichtigt wurden. Ich sage nicht, dass das der einzige Grund ist, aber das ist ja auch, was Unternehmen berücksichtigen müssen. Wen sprechen wir an und welche Personen kaufen unsere Produkte oder ja, bei wem kommt das an, was wir machen?

 

Sandra

Und dann wahrscheinlich, sich auch hoffentlich ihrer Verantwortung ein bisschen bewusst zu werden, die sie dann auch tragen. Gerade, wenn jetzt größere Marken auch Fans oder Anhänger*innen haben, dass sie da auch eine Verantwortung tragen, wenn sie nach außen sprechen.

 

Julia

Ganz genau.

 

Sandra

Ich habe jetzt noch eine Frage, die mich tatsächlich auch persönlich beschäftigt. Weil ich auch zu den Menschen gehöre, die noch gar nicht so lange sich wirklich so bewusst mit diskriminierungssensibler Sprache auseinandersetzen und ich selber auch erstaunt bin, wie wenig sensibel ich in manchen Punkten war. Und ich könnte mir vorstellen, dass es vielen so geht, dass man so ein bisschen verunsichert wird. Gerade wenn man in das Thema neu eintaucht. Was würdet ihr sagen, was ein guter Umgang damit wäre? Das wird euch in eurer Arbeit wahrscheinlich auch begegnen, wenn ihr mit den Menschen anfangt zu arbeiten, dass ihnen manche Sachen erst bewusst werden.

 

Julia

Vielleicht kann ich da anfangen, Ellie, falls das okay ist. Mir fällt das ja schon bei den Vorgesprächen oft auf, dass Auftraggeber*innen oftmals verunsichert sind, ob sie uns überhaupt engagieren dürfen: Wie? Wofür? Und es dann auch immer kommt: Ist das okay für euch? Und wäre das nicht zu viel für euch? Also mir persönlich, aber ich glaube auch allen Teammitglieder*innen bei uns, ist diese Kommunikation auf Augenhöhe sehr wichtig. Das ist auch etwas, was viel passiert: Dieses „sagt mir bitte Bescheid, wenn ich Fehler mache“. Und dann genau diese Verunsicherung, die eintritt. Und dann möchte mensch gar nichts mehr sagen und zieht sich zurück, was auch eigentlich nicht gut ist, sondern dem Problem beiträgt. Und wir versuchen deswegen immer klar zu kommunizieren: Wir sind auch nicht perfekt. Alle Menschen machen Fehler. Alle Menschen wurden in einem diskriminierenden System sozialisiert und hier in Deutschland vor allem. Und deswegen gibt es auch noch viel für uns zu klären.

Auch der Diskurs um diskriminierungssensible Sprache ändert sich stetig und wir müssen auch dazulernen und schauen, welche neuen Begrifflichkeiten es gibt, welche Begrifflichkeiten, die wir benutzen, sind nicht mehr in Ordnung.  Vor einem Jahr oder vor zwei Jahren haben wir z. B. gesagt: Lieber den Begriff „negativ betroffen“ für zum Beispiel Diskriminierungsformen zu nutzen, weil auch zum Beispiel weiße Menschen von Rassismus betroffen sind, aber halt als Begünstigte und Ausübende. Auch wir haben jetzt im Gespräch immer „man“ gesagt und Fehler gemacht. Das gehört einfach mit zum Prozess dazu und wir erwarten und unsere Klientinnen erwarten hoffentlich auch nicht Perfektion, weil das einfach gar nicht möglich ist.

 

Ellie

Mir ist es eigentlich immer nur wichtig, dass alle versuchen, sowohl Klient*innen als auch ich, dass wir alle lernende Person sind. Also in dem Bereich, in dem ich berate, habe ich einfach nur einen Wissensvorsprung. In anderen Bereichen lerne ich halt von anderen oder durch andere Leute dazu. Niemand ist auf die Welt gekommen und konnte gendern oder hat Rassismus verstanden. Es ist mir immer sehr wichtig, dass mich halt Auftraggeber*innen auch als eine Person sehen, die selber eben auch in einem Prozess ist und nicht jetzt irgendwie Queen of Speech ist oder alle Antworten hat. Das ist mir halt immer sehr wichtig.

 

Sandra

Ihr habt das eigentlich schon beantwortet, aber ich frag jetzt trotzdem noch mal, weil wir das am Schluss des Podcasts Frou Frou immer machen. Wir hatten ja am Anfang über die Bühnenshow gesprochen. Ihr hattet dann gesagt, dass ihr eher „Let’s Discheck“ oder eine Talkshow wärt. Wir bieten ja immer dann drei Fragen, aus denen ihr euch eine mögliche Antwort aussuchen könnt, was die Leute über Discheck mitnehmen sollen: Einmal, welche fiktive Auszeichnung ihr gerne, sagen wir mal in fünf Jahren, entgegennehmen wollen würdet? Wie das Publikum auf eure Bühnenshow reagiert? Oder, was ihr euch wünschen würdet, was die Kritiker*innen über euch schreiben?

 

Ellie

Ich fände es ganz cool, wenn es einen extra Preis im Bereich Diskriminierung geben würde. Also jetzt nicht nur wegen Discheck, sondern grundsätzlich, weil ich glaube, dass die Anti-Diskriminierungsarbeit krass unterschätzt wird, in Deutschland, überhaupt. Also ein Preis für Antidiskriminierung.

 

Julia

Und dass das auch als Arbeit richtig verstanden wird.

Ich würde wahrscheinlich mit dem was unsere Zuschauer*innen mitnehmen sollen gehen. Wir hatten auch schon mal die Frage erhalten: Findet ihr denn nicht, dass das Zensur ist und dass ihr sozusagen dann einen offenen Diskurs unterdrückt? Und was ich dann einfach mitgeben würde ist, dass marginalisierte Menschen wichtig sind und ihre Gefühle und Gedanken sind wichtig. Und nicht nur, dass privilegierte Menschen aus Diskriminierungserfahrungen lernen können, sondern dass Diskriminierung versucht wird zu unterdrücken, bevor sie passiert. Damit wir alle Medieninhalte genießen können, ohne verletzt zu werden und sich einfach repräsentiert und gesehen zu fühlen.

 

Sandra

Was für ein schönes Schlusswort. Wunderschön. Ich würde es am liebsten so stehen lassen. Leider muss ich jetzt hier noch das Wort ergreifen und mich verabschieden. Wie ich gesagt habe, ich könnte noch stundenlang mit euch weitersprechen. Es war super spannend. Ich habe das Glück, dass ich mit euch, dadurch, dass ich am u-institut arbeite, auch in Zukunft zusammenarbeiten werde. Ich kann alle Zuhörer*innen nur ermutigen, das Angebot wahrzunehmen und Ellie und Julia und ihre Kolleg*innen kennenzulernen. Und sich Discheck genauer anzuschauen.

Bleibt mir nur noch zu sagen „Vielen Dank euch beiden, ihr wart großartige Gäst*innen.“ Ich danke euch allen, die zugehört haben,f ürs Dabeisein und ich hoffe, ihr hattet wieder eine spannende und interessante und schöne Zeit im Salon Frou Frou und seid beim nächsten Mal wieder mit dabei.

 

Julia

Tschüss.

 

Ellie

Tschüss.